Lassen sich die Unternehmen zu viel Zeit im Auswahlverfahren, dann verlieren Bewerberinnen und Bewerber bald das Interesse. Das Ganze wird zudem, wenn es sich herum spricht, auch noch zur Image-Belastung für den Dienstgeber. Umso mehr, wenn nicht einmal eine Absage erfolgt.
Als Arbeit suchender Mensch kennt man die Situation nur zu gut: Man schreibt eine Bewerbung, feilt wirklich lange an einzelnen Formulierungen herum, bis alles passt. Dann schickt man das Schreiben voller Hoffnung zusammen mit dem perfekt designten Lebenslauf ab. Vielleicht erhält man schon bald darauf eine Übermittlungsbestätigung - eventuell sogar nicht nur als automatisches E-Mail, sondern persönlich -, aber dann herrscht Funkstille. Nicht nur lässt sich das Unternehmen mit Informationen zum weiteren Ablauf des Bewerbungsverfahrens oder gar einer Einladung zum persönlichen Gespräch Zeit, nein: Auch auf Mails und per Telefon erhält man keine oder nur sehr unbefriedigende Antworten, was den aktuellen Stand der Dinge betrifft.
Weniger Geeignete bleiben übrig
„Mit zu langen Recruiting-Prozessen gefährden die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Robert Szvetecz vom international tätigen Personaldienstleister Robert Half. Sie verlören dadurch tatsächlich die besten Bewerberinnen und Bewerber an den in dieser Hinsicht besser aufgestellten Mitbewerb. Wenn der Bewerbungsprozess zu lange dauert, würden die offenen Stellen im Endeffekt „mit weniger geeigneten Mitarbeitern besetzt“. Womit die Unternehmen langfristig ihre Zukunftsfähigkeit riskieren.
In einer eigenen Arbeitsmarktstudie haben die Experten von Robert Half erhoben, dass sich bis zu 70 Prozent völlig von dem zuerst angestrebten Job abwenden, wenn zu viel Zeit bis zur (allfälligen) Kontaktaufnahme erfolgt. Dabei wurden auch die frustrierendsten Tatsachen im Bewerbungsprozess abgefragt.
Neben der verzögerten Rückmeldung darüber, wo man sich im Einstellungsverfahren befindet - das finden 53 Prozent der Befragten nervig -, erscheint mehr als zwei Fünfteln die Wartezeit auf die Entscheidung nach einem Vorstellungsgespräch als frustrierend. Auch die mangelhafte Kommunikation über notwendige Schritte im Verfahren kommt bei 37 Prozent der Interessierten schlecht an, gefolgt von Änderungen bei den Stellenanforderungen, was 28 Prozent aufregt. Dennoch dauern Bewerbungsprozesse laut Studie „länger als noch vor einigen Jahren“. Diese Entwicklung bestätigen 60 Prozent der befragten Betriebe für den Zeitraum von 2013 bis 2016.
Mehrarbeit für die Belegschaft
Für die bereits im Unternehmen befindlichen Mitarbeitenden ist es ebenfalls belastend, wenn sich die Einstellung neuer Kolleginnen und Kollegen lange hinzieht. Sie müssen die vorhandene Mehrarbeit gemeinsam tragen, was eine Steigerung der Krankenstände und Umsatzeinbussen für den Dienstgeber nach sich zieht.
Die Ursachen für die langwierigen Verfahren seien dabei recht vielfältig: „In größeren Unternehmen ist das Problem zwar vielfach bekannt, aber die Prozessveränderungen dauern lang.“ Die Bewerbungsprozesse seien oft auch zu kompliziert, die Ansprüche an die Kandidaten zu hoch - „oder es mangelt an Budgetfreigaben und raschen Entscheidungen“, so Szvetecz. Mitunter würde auch unterschätzt, mit welcher Geschwindigkeit die Interessenten agieren und entscheiden. Empfohlen wird deshalb eine Optimierung der Kommunikation sowie die Verschlankung der Prozesse, „etwa durch eine geringere Zahl von Gesprächsrunden oder die Einbindung von weniger Personen in den Bewerbungs- und Entscheidungsprozess“.