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Einmal Chef, immer Chef

Veröffentlicht am 30.08.2019 von Manuela Specker - Bildquelle: Shutterstock
Einmal Chef, immer Chef

Beförderungen erfolgen nicht nach rein objektiven Kriterien. Netzwerker haben bessere Chancen.

Es ist ein eigenartiges Phänomen: Vorgesetzte, die sich nachweislich nicht für Führungsaufgaben eignen, landen doch immer wieder in einer solchen Funktion, obwohl doch mehrfache Interviewrunden und Assessments den Personalverantwortlichen die Augen öffnen sollten. Während sich die früheren Untergebenen am alten Ort noch wundern, dass ihr einstiger Vorgesetzter wieder eine einflussreiche Stelle erhalten hat, lernen die Mitarbeitenden am neuen Ort nach und nach die Führungsschwächen kennen. Gibt es denn auf dieser Stufe keine Arbeitszeugnisse?, fragen manche naiv. Als ob diese Zeugnisse mit ihren Standardsätzen und dem ungeschriebenen Verbot von Negativsätzen aussagekräftig sein könnten. Aber vor allem unterschätzen sie, dass auf Führungsstufen andere Gesetze gelten. Je weiter oben in der Hierarchie, desto undurchsichtiger werden sie. „Unternehmen funktionieren nicht so rational, wie sie behaupten“, meint beispielsweise der Wirtschaftspsychologe und Buchautor Florian Becker.

Gleich und gleich gesellt sich gern
Das fängt bereits damit an, dass manche Managerinnen und Manager jene fördern, die ihnen sehr ähnlich sind. Oder die ihnen nicht gefährlich werden können. In einem solchen Umfeld spielt der Leistungsausweis tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Hinzu kommt das „Wer hat, dem wird gegeben“-Prinzip. Alleine die Tatsache, mehrere Jahre in einem grossen Konzern eine Führungsposition bekleidet zu haben, ist für potentiell neue Arbeitgeber ein Magnet. Die Rede ist auch vom „Status-quo-Effekt“: Wer einmal eine einflussreiche Position übernehmen konnte, dem werden per se auch in Zukunft gute Leistungen angedichtet. Die einmal erfolgte Leistungseinschätzung wird dann nicht mehr hinterfragt. Doch all diese irrationalen Gründe können buchstäblich teuer zu stehen kommen. Florian Becker nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wenn es um betriebswirtschaftlichen Erfolg geht, werden systematisch die Falschen befördert. Nicht die, die für das Unternehmen am erfolgreichsten sind, steigen auf, sondern die, die am erfolgreichsten für sich selbst sind.“

Konkret bedeutet das: Die besten Chancen haben jene, die am besten vernetzt sind und die sich entsprechend zu vermarkten wissen. Untersuchungen belegen immer wieder, dass Kompetenz und Leistung nicht massgebend sind. Wer die Hälfte der Arbeitszeit in Kontaktpflege investiert und sich Mentoren sucht, wird eher befördert als jener, der fleissig wie eine Biene einen exzellenten Job erledigt. Dieser Mechanismus gilt umso mehr, als viele Stellen gar nicht mehr ausgeschrieben und unter der Hand vergeben werden. Wer die richtigen Leute kennt, kommt eher ans Ziel. Das ist sogar nachvollziehbar: Wer eine Stelle besetzen muss, fühlt sich auf der sicheren Seite, wenn er die Person bereits zu kennen glaubt.  Wenn sich dann im Nachhinein tatsächlich zeigt, dass die Beförderung ein Fehlentscheid war, kann es Jahre dauern, bis tatsächlich gehandelt wird. Denn jene Person, die sich für die Beförderung stark gemacht hat, müsste das eigene Versagen eingestehen.

Leistung hat auch ihre Tücken
Nun ist es aber noch lange nicht so, dass die Beförderungsentscheide besser sind, wenn ausschliesslich der Faktor Leistung gewichtet wird. Dann kann es nämlich passieren, dass das Peter-Prinzip zum Tragen kommt. Dieses besagt, dass in jeder Hierarchie Angestellte so lange befördert werden, bis sie eine Position innehaben, für die sie inkompetent sind. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Nur weil jemand exzellent unterrichten kann und von den Schülerinnen und Schülern geschätzt wird, eignet er sich noch lange nicht als Schulleiter, wo andere Kompetenzen gefragt sind. Damit es nicht zu falschen Beförderungen kommt, unter denen am Ende alle leiden, sollten die Kandidaten in ihrem eigenen Interesse mehr Verantwortung wahrnehmen und bei drohender Überforderung ein Angebot auch mal ablehnen. Denn der Weg zurück ist harzig: Verantwortung wieder abgeben oder gar in eine normale Angestelltenposition zu wechseln wird oft mit Scheitern gleichgesetzt. Und wer sich extern als Führungskraft für eine Position ohne Leitungsfunktion bewirbt, gilt schnell als überqualifiziert.