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Geteilte Verantwortung

Veröffentlicht am 09.08.2019 von Manuela Specker - Bildquelle: Shutterstock
Geteilte Verantwortung

Führungsduos sind noch die grosse Ausnahme – das Modell hat aber durchaus seine Vorzüge.

Eine Führungsfunktion auf zwei Schultern verteilen – kann das gutgehen? Das Modell hat seine Tücken, für Angestellte genauso wie für Führungspersonen. So kann es Ausdruck davon sein, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen möchte, oder dass sich jene, welche die Führungsposition besetzen müssen, nicht entscheiden können und deshalb die Zweiervariante wählen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für ein erfolgreiches Zweiergespann. Die Doppelspitze hat aber auch einen modernen Anstrich: Die Führungsfigur, die jederzeit den Überblick hat und die richtigen Entscheide fällt, ist nicht mehr unbedingt gefragt, geschweige denn realistisch in einem Umfeld grosser Komplexität und schneller Entwicklungen.

Im Kunst- und Kulturbereich ist die geteilte Verantwortung nichts Aussergewöhnliches, und dort ist auch der Trend am stärksten wahrnehmbar. Das Schauspielhaus Zürich beispielsweise steht mit Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg neu unter der Leitung von zwei Personen, im Neumarkt-Theater folgte auf ein Zweier-Führungsgespann mit Tine Milz, Julia Reichert und Hayat Erdogan ein Führungstrio. Teamleitung statt Einzel-Intendantin: Im künstlerischen Bereich, der von der Auseinandersetzung und von Perspektivenwechseln lebt, werden solche Modelle als „Leitungsmodelle der Zukunft“ gefeiert. Sie setzen aber, damit sie in der Praxis gelingen, genauso eine funktionierende Streit- und Diskussionskultur voraus wie anderswo.

Alphatiere teilen Macht nicht gerne
In der Privatwirtschaft obliegt die oberste Führung noch selten mehr als einer Person; Alphatiere teilen die Macht bekanntlich nicht gerne. Auf unteren Stufen hingegen kann es durchaus vorkommen, dass gerade nach einer Reorganisation ein Bereich plötzlich von zwei Personen geleitet wird. Laut Torsten Biemann, Professor für Personalmanagement und Führung an der Universität Mannheim, eigne sich dieses Modell, wenn die Aufgaben und Ansprüche tatsächlich eine Rollenverteilung nahelegen – oder wenn grosse Unsicherheiten bestehen, zum Beispiel in Bezug auf die Unternehmensstrategie, oder wenn sich das Umfeld stark verändert.

Gemeint ist mit der Doppelspitze eben nicht einfach die Variante eines Job-Sharings, in der sich zwei Personen eine Vollzeit-Stelle teilen. Die Aufteilung richtet sich nicht nach den Prozenten, sondern nach den Aufgaben. Wenn zwei Personen unterschiedliche Expertisen mitbringen und sich ergänzen, kann die Doppelspitze tatsächlich ein Gewinn für das Unternehmen sein.  Die Verantwortlichkeiten müssen allerdings klar festgelegt sein, und die beiden Vorgesetzten müssen auf eine Art und Weise zusammenspannen, dass sie nicht zum Spielball der Mitarbeitenden werden. Ob die geteilte Verantwortung funktioniert, hat dabei weniger mit der Grösse des Unternehmens oder den Aufgaben an und für sich zu tun, sondern mit den Persönlichkeiten - und ob diese dem hohen Abstimmungsbedarf gerecht werden. Das „Gegensätze ziehen sich an“-Credo ist für einmal nicht empfehlenswert, minimale Übereinstimmungen in grossen Fragen müssen gegeben sein. Wer eher konservativ agiert, wird kaum mit einem Draufgänger klarkommen.

Entlastung in Repräsentationsaufgaben
Angesichts der Tatsache, dass viele Mitarbeitende nicht mehr bereit sind, die oft mit Führungsjobs einhergehenden Belastungen in Kauf zu nehmen, kann dieses Modell tatsächlich Zukunft haben. Wenn sich zum Beispiel die Repräsentationsaufgaben auf zwei Schultern verteilen, ist das für die Betroffenen eine grosse Entlastung und weniger einschneidend in das Privatleben. Der Haken an der Sache: Gerade wenn der Job Repräsentationsaufgaben beinhaltet, muss das Führungsduo zwingend als Einheit wahrgenommen werden. Auch setzt es eine Arbeitshaltung voraus, die sich an der Sache orientiert, statt dass sich Einzelne in den Vordergrund drängen wollen. Doppelspitzen müssen in die Unternehmenskultur passen, sonst ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass nur Ausdruck einer schwachen Führungskultur sind, in der niemand mehr Verantwortung wahrnehmen möchte.