Hund im Job: Einen Rechtsanspruch gibt es nicht, auf den guten Willen des Arbeitgebers kommt es an
Der kann nicht alleine zu Hause bleiben, sagen Herrchen und Frauchen und wollen ihren Hund mit ins Büro nehmen. Das kann funktionieren, gibt manchmal aber Probleme.
Von Vera Sohmer
Die Geschichten lesen sich mit „Jöh-Effekt“. Mopsrüde Marvin hat einen eigenen Bürostuhl. Den zieht sein Frauchen bei der Arbeit immer ganz dicht an sich heran. Marvin braucht Körperkontakt. Nur dann ist er rundherum zufrieden, strahlt diese Ausgeglichenheit und Gelassenheit aus, für die ihn die Büro-Kollegen so lieben. Die Augen auf dem dösenden Bündel ruhen zu lassen, wirkt auf manche fast wie Meditation. Oder Paulchen, der Studiohund. Seine Halterin ist Moderatorin bei einem Kinder-Radiosender, sie produziert mit ihm inzwischen Hörspiele und Fotoromane, die online gestellt werden. Paulchen, die Mischung aus Collie, Schäfer und Terrier, hatte früh das Zeug zum Star und seine Autogrammkarte ist heiss begehrt.
Hunde können die Atmosphäre am Arbeitsplatz auflockern, heisst es bei der Stiftung für das Tier im Recht. Mehr noch: „Sie tragen zu einem sympathischen Firmenbild bei und fördern das Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitenden.“ Vorgesetzte berichten von höherer Produktivität, während die Belegschaft auf stressmindernde Wirkung schwört – siehe Marvin. Nicht selten, so die Stiftung weiter, werden die Vierbeiner zu einer Art „Büro-Maskottchen“.
Manchmal aber stört das Tier. „Musste ich ins Büro meiner Kollegin, rutschte mir jedes Mal das Herz in die Hose“, erzählt der Mitarbeiter einer gemeinnützigen Organisation. Irritierend genug, dass die Bordeaux Dogge den kleinen Raum fast ausfüllte. Das Kalb mit dem furchterregenden Unterkiefer liess sich zudem nicht zurückpfeifen, beschnüffelte und besabberte den Mitarbeiter jedes Mal. Dabei beruhigte es in keineswegs, dass ihm seine Kollegin vom Schreibtisch aus zurief: „Fellow ist halt ein bisschen neugierig, aber sie tut wirklich nichts.“ Erst als sich die Beschwerden auch von anderen Mitarbeitern häuften, durfte die Dogge nicht mehr mit ins Büro. Ihre Halterin musste eine Krippe suchen.
Was man als ungerecht empfinden mag, ist legitim. Ein Recht auf Tierhaltung am Arbeitsplatz gibt es nicht. Wer Fiffi mitnehmen will, ist auf den guten Willen seines Arbeitgebers angewiesen. Dieser kann in einem Reglement festschreiben, unter welchen Voraussetzungen er Vierbeiner erlaubt. Oder aber unter welchen Umständen nicht. Diskriminierend und strittig wäre nur, wenn ein Arbeitgeber dem einem Mitarbeiter den Hund durchlässt, dem anderen aber nicht. Und dies ohne triftigen Grund, betont die Stiftung für das Tier im Recht. Ebenfalls kaum nachzuvollziehen: Ein plötzliches Verbot ohne Begründung, wenn der Hund bislang erlaubt war.
Möglich aber ist, dass er daheim bleiben muss, wenn Kollegen oder Kunden Angst haben vor ihm. Oder wenn jemand allergisch reagiert auf Tierhaare. Geregelt kann auch sein, dass Herrchen oder Frauchen für Schäden aufkommen müssen. Etwa wenn der Hund Kabel zerkaut, Türen zerkratzt – oder sich übergibt und der Spannteppich porentief gereinigt werden muss.
Wichtig auch: Der Vierbeiner muss gut erzogen und einwandfrei sozialisiert sein. Inakzeptabel ist, wenn er sich aggressiv verhält. Oder sich, wie im Fall Fellow, nicht im Zaum halten lässt und Menschen belästigt, denen Hunde nicht einmal auf grosse Distanz sympathisch sind. Zudem darf das Tier den Betriebsablauf nicht stören und muss sich am Arbeitsplatz ruhig verhalten. Tierschützer empfehlen, den Hund während der Arbeitszeiten mit Spielzeug zu beschäftigten. Überhaupt sollte er sich wohlfühlen. Dazu gehört ein festes Plätzchen in der Nähe des Halters, frisches Wasser, Gassi gehen alle fünf Stunden.
Dass es mit „Kollege Hund“ auch nach anfänglicher Skepsis funktionieren kann, zeigt das Beispiel einer Zeitschriften-Redaktion. Die alleinstehende Sekretärin hatte Cocker-Spaniel-Hündin Sarah jeden Tag dabei. Meistens schlummerte sie im Körbchen, und war sie mal wach, zeigte sie sich interessiert, aber stets zurückhaltend. Neue Mitarbeiter rümpften zunächst die Nase und beschwerten sich, weil es im Sekretariat oft streng roch. War Sarahs schwarz-weisses Fell nach Spaziergängen in Regen oder Nebel feucht, war die Note zuweilen unerträglich. Mit der Zeit aber nahmen es empfindliche Kollegen nicht mehr wahr. Oder vielmehr in Kauf, weil sie Sarah nichts mehr krumm nehmen konnten und sie halt irgendwie dazugehörte.