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Frauen Vorgesetzte - Keine Frage des Geschlechts

Veröffentlicht am 28.12.2013
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Weshalb die Annahme, Frauen würden die besseren Vorgesetzten abgeben, auf einem Irrtum gründet.  
Frauen schneiden in Beurteilungen zum Führungsverhalten keineswegs besser ab - sie können genauso durchtrieben und machthungrig sein. Das Geschlecht sagt nichts über die Qualität von Vorgesetzten aus.

Von Manuela Specker
 
Autoritär, durchsetzungsstark, statusorientiert, machtbewusst. Das sind Eigenschaften, die den Männern zugeschrieben werden. Frauen gelten als empathisch, kommunikativ, feinfühlig und fürsorglich. In einer Zeit, wo der hierarchische Führungsstil auf wenig Anklang stösst,  werden Frauen deshalb gerne zu besseren Führungskräften hochstilisiert. Bisweilen gilt das gar als Argument für mehr Frauen in Top-Positionen. Es scheint, als seien Frauen nicht nur die besseren Chefs, sondern auch die besseren Menschen. Das ist natürlich Unsinn.

Die fragwürdige Reduktion auf das eine Merkmal ignoriert die Erkenntnisse aus der Genderforschung. Demnach haben Eigenschaften, die einem Geschlecht zugeschrieben werden, wenig mit Biologie aber viel mit der Erwartungshaltung zu tun, die eine Gesellschaft an Frauen und Männer stellt. Soziale Konstruktionen werden so zu Wirklichkeiten. Im Grunde genommen eine banale Erkenntnis, die aber – mit wenigen Ausnahmen - in der Geschäftswelt noch nicht angekommen ist.  Zu diesen Ausnahmen gehört Barbara Frei, Leiterin „Antriebe und Steuerungen“ bei ABB und Verwaltungsrätin bei Swisscom. Sie ist überzeugt, dass Frauen nicht nach anderen Werten führen. Lediglich die Erwartungen seien andere, bringt sie es im Buch „frau Macht karriere“ von Elisabeth Rizzi und Sandra Willmeroth auf den Punkt. Es geht also vor allem um Rollenklischees, die sich in der Wahrnehmung und der Erwartungshaltung an die Geschlechter manifestieren.

"Klischees über Rollenbilder am Arbeitsplatz sind weit verbreitet - auch bei Personalentscheidern", sagt Thomas Bockholdt, Managing Partner der Personalberatung InterSearch Executive Consultants. Eine Umfrage des Beratungsunternehmens bestätigte diese Vermutung. Vor allem wenn es um die Besetzung von Führungspositionen gehe, werde den vermeintlich weiblichen und männlichen Eigenschaften große Bedeutung beigemessen – ob unbewusst oder versteckt hinter vorgeschobenen Gründen.

So erstaunt nicht, dass tatsächlich Unterschiede im Führungsverhalten festgestellt werden, die scheinbar geschlechtsspezifisch sind. Der Verband der Deutschen  Unternehmerinnen hat knapp 450 Frauen zu ihrem Führungsstil befragt und die Ergebnisse mit den Angaben männlicher Führungskräfte verglichen. Dabei zeigt sich: Männer legen den Fokus mehr auf Investitionen und Finanzen, während Frauen die Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeitenden mehr am Herzen liegt. Entsprechend unterschiedlich fallen die Massnahmen aus, um die Motivation und die Bindung an das Unternehmen zu steigern: Frauen setzen stärker auf Weiterbildung und auf  die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während Männern als Führungsinstrument Statussymbole wie ein Dienstwagen oder ein hoher Bonus wichtiger sind. Diese Studie widerspiegelt aber vor allem die Selbstwahrnehmung, die nicht losgekoppelt von der gesellschaftlichen Erwartungshaltung an die Geschlechter betrachtet werden kann. Anders schaut es aus, wenn Arbeitnehmende den Führungsstil ihrer Vorgesetzten bewerten. Dann schneiden Frauen keineswegs besser ab. Das zeigt unter anderem eine Untersuchung von Sabine Korek, Arbeits- und Organisationspsychologin von der Universität Leipzig. Die Unterschiede in der Bewertung des Führungsstils sind nur minimal.

Frauen als bessere Führungskräfte zu bezeichnen, ist aus einem anderen Grund fragwürdig. So veröffentlichte letztes Jahr die Deutsche Bundesbank eine Studie, die nachweisen konnte, dass Frauen in der Chefetage ebenso riskante Investitionen tätigen wie ihre männlichen Kollegen. Gerade weil Frauen in Top-Positionen stark untervertreten sind, würden manche dazu neigen, das abgebrühte Verhalten der Männer zu imitieren, wenn nicht gar zu übertrumpfen. Auch hier hat allerdings die Geschlechterfalle wieder zugeschnappt: Derartiges Verhalten als „Imitation“ von Männern zu sehen, ignoriert die Tatsache, dass Frauen genauso machtbesessen, ignorant, durchtrieben und grausam sein können. Dazu reicht ein Blick auf das berühmte und immer wieder zitierte Experiment des Psychologen Stanley Milgram aus dem Jahr 1961. Frauen zögerten genauso wenig wie die meisten Männer, wenn es darum ging, den Anweisungen einer Autoritätsperson zu folgen und den anderen Versuchsteilnehmern elektrische Schläge zu versetzen, ungeachtet von deren Schmerzensschreien. 

Umgekehrt gilt: edle Eigenschaften wie Empathie, die explizit Frauen zugeschrieben werden, kommen natürlich auch bei Männern vor. Der „weibliche“ Führungsstil reflektiert lediglich, was in einer Kultur als „weiblich“ und was als „männlich“ zu gelten hat. Das Geschlecht ist deshalb nicht geeignet, um Schlüsse auf die Qualität im Führungsverhalten zu ziehen.