Spätzünder sind (noch) die Ausnahme: Die meisten Mitarbeitenden rutschen spätestens mit 30 in ihre erste Führungsposition.
Von Manuela Specker
Es ist eine unglaubliche Datensammlung, auf die Ökonomen zurückgreifen konnten: die Gehaltsangaben von fünf Millionen Amerikanern, die sie in den letzten 40 Jahren gegenüber der Sozialversicherung machten. Daraus konnten die Forscher interessante Schlüsse ziehen. Zum Beispiel, dass sich sehr früh entscheidet, wer Karriere machen wird. Die besten Chancen haben demnach Angestellte, die ihren Lohn bis zum 35.Geburtstag verdoppeln konnten.
Wer also im Berufsleben so richtig durchstarten will, sollte nicht erst in den Mittdreissigern auf den Geschmack kommen. Die aktuelle Untersuchung aus den USA lässt sich durchaus auf hiesige Verhältnisse übertragen. Vor drei Jahren zeigte eine Untersuchung, dass die Chance, erstmals Chef zu werden, zwischen 30 und 40 jedes Jahr um rund 10 Prozent abnimmt. 44 Prozent aller Führungskräfte haben spätestens mit 30 erstmals ein Team geführt. Ab 50 ist es unwahrscheinlich, noch in eine Führungsposition befördert zu werden.
Ähnlich ergeht es übrigens jenen, die in erster Linie die Kassen klingeln sehen wollen: Wer im Alter von 30 Jahren mit selber verdientem Geld Millionär sein möchte, darf keine Zeit im Angestelltenverhältnis verlieren, sondern muss mit einer zündenden Idee als Unternehmer durchstarten.
Die zentrale Frage aber, die sich immer wieder stellt: Braucht es nicht zuerst eine gewisse Lebenserfahrung, bevor Mitarbeitende befähigt sind, Leute zu führen? Der Cheftest, den das Manager Magazin zusammen mit dem sozialen Netzwerk Xing durchführte, förderte jedenfalls zu Tage, dass die „alten Chefs“ besser agieren, wenn es ums konkrete Umsetzen von Massnahmen oder das Fördern von Teammitgliedern geht. „Routinierte Manager haben einen reichen Schatz an Erfahrungswissen, das hilft ihnen natürlich dabei, Situationen souverän zu lösen“, meint Klaus-Peter Gushurst, Seniorpartner bei der Managementberatung Booz, gegenüber dem „Manager Magazin“. Zudem würden viele Manager mit der Zeit ein besseres Gespür dafür entwickeln, andere zu fördern anstatt auf sich selber zu schauen.
Die jungen Manager unter 40 Jahren punkten dafür beim „Umgang mit Unsicherheit“ und beim „Umgang mit einem volatilen Geschäftsumfeld“. Das hat etwas mit der Sozialisierung zu tun: Viele erfahrene Chefs wurden im stabileren Wirtschaftsumfeld der 1990er-Jahre gross, während die Jungen von Anfang an mit den Verwerfungen am Arbeitsmarkt konfrontiert worden sind. Das habe sie darin befähigt, Probleme nicht mit vorgefertigten Lösungen aus dem eigenen Erfahrungsschatz anzugehen, sondern neue Ansätze zu finden. Umgekehrt kann diese Fähigkeit, flexibel auf Probleme aller Art zu reagieren, zur Folge haben, langfristiges Denken zu vernachlässigen.
Die Kurzfristigkeit zeigt sich sogar in der Beförderungspraxis: Gemäss der Outplacement-Beratung Lee Hecht Harrison werden die Beförderungszyklen junger Manager in der Schweiz immer kürzer – im Durchschnitt verweilen sie nur noch eineinhalb Jahre auf derselben Stelle. Das Fatale daran: Viele junge Führungskräfte hinterfragen in so einem Umfeld nicht mehr, ob ihre Kompetenzen für die neue Stelle ausreichen. Deshalb erstaunt es nicht, dass junge Talente immer wieder an Selbstüberschätzung scheitern. „Wer ständig hört, wie gut und rar er ist, der bleibt nicht immer auf dem Teppich“, sagt Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer der Personalberatung Kienbaum. Eine Umfrage unter 460 Personalchefs aus der Schweiz, Deutschland und Österreich ergab, dass fehlende Selbstkritik und Arroganz die grössten Gefahren darstellen für junge Manager.
Möglichst früh in möglichst hoch angesiedelte Positionen zu gelangen, ist also nicht unbedingt von Vorteil. Hingegen können die Weichen nicht früh genug gestellt werden, wenn eine klassische Karriere anstrebt wird: Aufstieg innerhalb einer Hierarchie, verknüpft mit einem ständig steigenden Gehalt. Die riesige Datenmenge aus den USA zeigte, dass die meisten Leute die grössten Gehaltssprünge nur innerhalb der ersten zehn Berufsjahre erfahren – es sei denn, man gehört zu jenen, die voll auf die Karte Karriere setzen.
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