Nicht Geld, sondern Worte beflügeln Mitarbeitende zu Höchstleistungen, sagen Experten.
Anerkennung am Arbeitsplatz beschränkt sich meist auf das Finanzielle. Dabei tragen Worte der Wertschätzung mehr zur langfristigen Zufriedenheit bei. Das ist nicht zu verwechseln mit Lob, welches Schattenseiten hat.
- von Manuela Specker -
Die Frage, was Mitarbeitende motiviert, spaltet Führungskräfte in zwei Lager: die einen lehnen die Vorstellung, auf die Motivation überhaupt einen Einfluss nehmen zu können, komplett ab. Richtige Motivation ist aus ihrer Sicht nur jene, die von innen kommt, in der Fachsprache «intrinsisch» genannt.
Das andere Lager gesteht sich Einfluss zu; die Ansichten divergieren vor allem in der Frage des Wie. Ist es die Höhe des Lohnes, sind es Teamanlässe, ist es die Wertschätzung, die den Mitarbeitenden entgegengebracht wird?
Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den beiden Lagern. Wo keinerlei intrinsische Motivation vorhanden ist, sind externe Anreize vergebliche Müh. Wo aber mit Leidenschaft gearbeitet wird, sollte dies nicht als selbstverständlich hingenommen werden. «Hinter jeder überzeugenden Leistung steht das Bedürfnis nach Anerkennung. Wer nur durch Forderungen getrieben und nicht auch mal durch Anerkennung gezogen wird, erlischt früher oder später», meint die auf Führungskräfteentwicklung spezialisierte Christine Scheitler.
Doch wie soll diese Anerkennung aussehen? Paradoxerweise wirkt am besten, was nichts kostet: Worte der Wertschätzung. «Diese sollten kontinuierlich ausgesprochen werden», empfiehlt Theo Wehner, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich. Doch genau daran mangelt es. Gemäss der jährlich durchgeführten Studie des Beratungsunternehmens Gallup erfährt nur jeder fünfte Arbeitnehmer für gute Arbeit Anerkennung. Allzu oft glauben Vorgesetzte, dass der Lohn, der jeden Monat pünktlich aufs Konto fliesst, Anerkennung genug ist, oder dass der jährliche Bonus Motivationsschübe auslöst.
Doch laut Wehner ist die finanzielle Anerkennung weniger wichtig für die Gesamtzufriedenheit als die soziale Anerkennung. Der Grund liegt auf der Hand: Wo der Lohn die Grundbedürfnisse abdecken kann und nicht zur Frage des Überlebens wird, gewinnen andere Werte an Bedeutung. Das zeigen auch Untersuchungen, laut denen ein höherer Lohn nicht mit höherer Zufriedenheit einhergeht.
Anerkennung ist aber nicht zu verwechseln mit Lob, das eine rauschmittelähnliche Wirkung freisetzt und Mitarbeitende im wahrsten Sinne des Wortes abhängig machen kann. Lucy Kellaway, die Kolumnistin der «Financial Times», bringt es auf den Punkt, wenn sie schreibt: «Lob ist eine erstklassige Droge; wir verlangen immer stärker nach ihr und schimpfen, wenn sie uns nicht in ausreichender Menge und Qualität verabreicht wird.»
Auch Theo Wehner empfiehlt, Lob für besondere Ereignisse aufzuheben. «Es sollte nur spärlich eingesetzt werden, sonst verliert es jede Wirkung.» So kann und soll ein Chefarzt seine Assistenzärztin loben, welche zu Recht eine Diagnose infrage stellt. Anerkennung hingegen hat mit Wertschätzung zu tun.
Dazu kann es gehören, dass der Chefarzt nach der Operation in die Runde blickt und dem Team für die Zusammenarbeit dankt. «Von Anerkennung werden Mitarbeitende nie satt», so Wehner. Anerkennung läuft letztlich darauf hinaus, dass Vorgesetzte überhaupt wissen, mit was sich Mitarbeitende beschäftigen und wie sie ihre Arbeit erledigen. Kritische Bemerkungen fallen deshalb ebenso unter Anerkennung wie Dankesworte. Das Problem: So manche Vorgesetzte sind vor lauter Meetings und unzähligen Verpflichtungen nicht im Bild, was ihre Mitarbeitenden leisten. In vielen Firmen mangelt es letztlich an einer Feedback-Kultur, «Angestellte erfahren Tadel nur noch durch eine Entlassung oder anerkennende Gesten durch die Überweisung eines Bonus», so Wehner.
Anerkennung ist nicht nur eine Sache der Vorgesetzten. Allerdings hat sich gemäss Theo Wehner der Trend, dass Angestellte in erster Linie für sich schauen, noch verstärkt. Daran sind Firmen nicht unschuldig. Der Professor für Arbeitspsychologie erwähnt Bonussysteme, die jene belohnen, die andere übertrumpfen, oder Bonussysteme, die vorschreiben, dass ein bestimmter Anteil der Arbeitnehmenden in einem Team eine negative Bewertung erhalten muss.
Das intensiviert den Konkurrenzkampf untereinander und sorgt für Unzufriedenheit; unter dem Strich dürfte eine solche Arbeitsatmosphäre weder die Leistung noch die Produktivität steigern. Verbale Wertschätzung hingegen begünstigt ein aufgeschlossenes und innovatives Arbeitsklima – zumal sich Angestellte unter solchen Bedingungen auch negative Kritik zu Herzen nehmen, als wenn sie immer nur das Schlechte zu hören bekommen.
«Anerkennung bedeutet letztlich, dass der Mensch hinter der Leistung zur Kenntnis genommen wird», meint Christine Scheitler.
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