Wider den Generationen-Crash: Wie Digital Natives und ältere Mitarbeitende produktiv zusammenarbeiten.
Digital Natives heissen so, weil sie mit Computer, Smartphone und Internet aufgewachsen sind. Diese junge Generation ist rund um die Uhr vernetzt und einer der Treiber der Digitalisierung. Sie denkt anders und bringt neben frischem Wind ein völlig neues Verständnis von Führung und Zusammenarbeit ins Unternehmen. In Litauen war der Leitgedanke vor 20 Jahren: Lass die jungen Generationen ans Ruder. Die kennen ihre Grenzen nicht und kommen auf ganz neue Lösungen. Litauen ist heute eines der Länder in Europa, die mit der Digitalisierung am weitesten sind.
Digital Natives erwarten einen wertschätzenden und vertrauensvollen Kommunikationsstil auf Augenhöhe und flache Hierarchien. Sie möchten in Entscheidungen einbezogen werden und eigenverantwortlich arbeiten.
Ältere Mitarbeitende hingegen haben andere Erfahrungen und somit oft auch andere Werte. Sie haben ein Unternehmen vielleicht jahrelang begleitet, setzen im Arbeitsalltag auf bewährte Pfade und betrachten eine digitalisierte Welt nicht selten mit gewissem Misstrauen. Erfahrungsbedingt können die „alten Hasen“ heikle Situationen jedoch besser einschätzen und sind auch häufig die entspannteren Teamplayer.
Verschiedene Generationen vereinen
Die Kunst einer Führungskraft von morgen ist es, diese verschiedenen Welten produktiv zusammenzubringen, Mitarbeitende unterschiedlich abzuholen, individuell zu fördern und zu fordern. Dabei sollten Chefs die Heterogenität Ihres Teams würdigen und nutzen. Beispielsweise sollten sie Digital Natives Raum geben, Kreativität, Neugier und Offenheit auszuleben, ihnen aber gleichzeitig die notwendige Struktur dafür bieten. Parallel nutzen sie das Wissen und die Erfahrung ihrer Babyboomer. Bei kluger Führung profitiert das Unternehmen also optimal von den generationsspezifischen Stärken. Wenn Vorgesetzte für eine enge Zusammenarbeit und regelmässigen Austausch sorgen, vermeiden sie es, dass Wissen verloren geht und bestärken das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Lebenswelten.
Damit Führungskräften diese Zusammenführung gelingt, fungieren sie immer mehr als Mentor und Wegbereiter für sich weitgehend selbst steuernde Teams: Sie werden in Zukunft zunehmend Spezialisten führen, deren Expertise sie selbst kaum noch verstehen können. Ihre Aufgabe ist dabei, Mitarbeitende zu Innovation, Loyalität und Leistungsbereitschaft zu motivieren und als Beziehungsmanager Netzwerke aufzubauen und zu gestalten. Digital Leader sind Richtungsweiser, Vorbilder und Talentmanager. Jemand, der Mitarbeiterpotenziale erkennt, entwickelt und spürt, ob ein Team mehr Mitwirkung bedarf oder im Moment gut fähig ist, sich selbst zu steuern.
Vertrauen aufbauen ist eine Schlüsselkompetenz der Zukunft. Genauso wie die Fähigkeit, aktiv Verantwortung abzugeben. Eine weitere Herausforderung: Führungskräfte müssen das Tagesgeschäft managen, gleichzeitig aber auch die Weiterentwicklung des Unternehmens vorantreiben. Das erfordert Agilität und Flexibilität in Denken und Handeln sowie eine hohe Kooperationsfähigkeit.
Zunftsfähige Mitarbeiter sind bereit, zu lernen
Die wichtigste Kompetenz für Mitarbeitende – egal welcher Generation – ist der Wille, sich verändern und lernen zu wollen. Teammitglieder müssen bereit sein, ihre Lernfelder eigenverantwortlich zu bearbeiten, sprich: selbstorganisiert und im Austausch das fehlende Know-how aufzubauen. Dazu ist es nötig, sich proaktiv mit Kollegen und Chefs abstimmen und vernetzen zu wollen. Oft erzielen Mitarbeitende die besten Ergebnisse, wenn sie bereit sind, Verantwortung zu tragen. Zudem ist das kritische Hinterfragen der eigenen Arbeitsprozesse ebenso wesentliche Qualität der Zukunft wie die Fähigkeit, dauerhaften Wandel aktiv zu gestalten.
Zwar mussten Führungskräfte schon immer Unterschiede zwischen den einzelnen Mitarbeiter-Generationen managen. Doch selten waren so viele Jahrgänge gleichzeitig in Organisationen aktiv wie heute. Und nie zuvor sind die jüngsten und ältesten Mitarbeitenden in unterschiedlicheren Lebenswelten aufgewachsen. Damit also ein Unternehmen die digitale Transformation gut bewältigt, müssen Führungskräfte – neben Toleranz und Empathie – die generationenspezifischen Vorteile erkennen, herausarbeiten und nutzbar machen. Wenn das gelingt, ist das Ziel eines zukunftsfähigen Teams, das sich in seiner Heterogenität als Einheit begreift, ein grosses Stück nähergekommen.
*Michael Lorenz ist Autor des Buches „Digitale Führungskompetenz. Was Führungskräfte von morgen heute wissen sollten“, Verlag Springer Gabler, 2018. Er ist Geschäftsführer der grow.up. Managementberatung in Gummersbach (D, www.grow-up.de). Zuvor war er Geschäftsführer und Partner der Kienbaum Management Consultants GmbH und leitete den Geschäftsbereich Human Resources Management.