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Führen mit Stil

Veröffentlicht am 02.03.2017
Führen mit Stil
Die sechs wichtigsten Tipps, um ein vorbildlicher Vorgesetzter zu werden.  
Von Martin Wehrle*

Während man sein Fach über Jahre lernt, ist eine geregelte Führungs-Ausbildung noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dabei ist die Mitarbeiterführung auch nur ein Handwerk. Worauf kommt es dabei an?

1. Vertrauen schenken
Was passiert, wenn Sie einem Mitarbeiter vertrauen? Wenn Sie positive Erwartungen in ihn setzen? Wenn Sie an seinen Erfolg glauben und ihn das auch spüren lassen? Dann wird der Mitarbeiter alles tun, um Ihr Vertrauen durch seine Leistung zu bestätigen. Psychologen nennen das „reziprokes Handeln“: Wir zahlen gern mit derselben Münze zurück.
Umgekehrt bedeutet das: Ein Chef, der seinen Mitarbeitern misstraut, führt eben durch diese Haltung das gefürchtete Verhalten herbei. Je mehr zum Beispiel kontrolliert wird, desto grösser die Anstrengung der Mitarbeiter, die Kontrolle zu umgehen.
 
2. Vereinbarungen treffen
Leider ist das Thema „Zielvereinbarung“ unter Mitarbeitern etwa so beliebt wie eine Mausefalle unter Mäusen. Viele Chefs vereinbaren keine Ziele – sie geben welche vor. Der Mitarbeiter ist fremdgesteuert, ihm wird etwas aufgedrängt. Im Zweifel verhält er sich wie ein 100-Meter-Läufer: Er bleibt stehen, sobald das Ziel erreicht ist – auch wenn er noch die Puste für weitere 100 Meter hätte. Die Kunst der Führung besteht darin, dass Sie als Chef herausfinden, was Ihr Mitarbeiter will. Welche Aufgaben reizen ihn? Welche Fortbildungen benötigt er? Welche seiner Kompetenzen würde er gerne verstärkt einbringen?
Zwischen diesen Wünschen des Mitarbeiters und den Zielen der Firma gilt es eine Schnittfläche zu finden – ein Ziel, das beiden Seiten dient und vereinbart – statt bestimmt – wird.
 
3. Ergebnis zählt
Wie lange ist der Mitarbeiter anwesend? Ist er den ganzen Tag mit der Arbeit befasst oder auch privat im Internet unterwegs? Sitzt er überwiegend an seinem Schreibtisch oder tratscht er auf dem Flur? Wer solche Fragen stellt, ist eine Führungskraft von vorgestern. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter grundsätzlich tun, was sie wollen – auch Kaffee trinken, auch privat im Internet  surfen usw. Sofern eine Voraussetzung gegeben ist: die Ergebnisse stimmen.
Das ist so wie beim Fussball: Was hätte es gebracht, den genialen Torjäger Gerd Müller anzuraunzen, er zeige nicht genug konditionellen Ehrgeiz und Kampfgeist auf dem Platz? Der Mann hat seine Tore halt auf andere Weise geschossen, zum Beispiel mit dem Hintern. Na und? Hauptsache, der Ball war drin! Nur wenn Ziele verfehlt werden und die Arbeitsqualität nicht stimmt, gibt es Grund zum Einschreiten.
 
4. Stärken im Blick
Viele Führungskräfte setzen sich den ganzen Tag mit den Schwächen ihrer Mitarbeiter auseinander. Wer chaotisch ist, soll ordentlicher werden. Also wird er gerügt, zum Kurs in „Selbstorganisation“ verdonnert und gilt als Mängelexemplar – völlig unabhängig davon, welche Arbeitsergebnisse er erzielt.
Dieses Vorgehen ist aus zwei Gründen dumm. Ersten wissen wir aus der Psychologie: Wer viel über Schwächen spricht, verstärkt diese, statt sie aus der Welt zu schaffen. Und zweitens wäre die umgekehrte Frage klüger: Welche Stärken hat der Mitarbeiter? Ist er vielleicht ein hoch kreativer Kopf? Ist eine leichte Unordnung der Humus, auf dem seine Ideen wachsen? Gute Führungskräfte setzen alles daran, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu kennen und zu verstärken. Schwächen dagegen, die dem Arbeitsergebnis nicht schaden,  nehmen Sie gelassen hin.
 
5. Job-Gestaltung
Es gab einmal einen Linksaussen, der zwar ein begabter Spieler war, aber kein Überflieger. Mit etwas Glück hätte er es zum Nationalspieler bringen können. Dann kam ein neuer Vereinstrainer und nahm sich diesen Stürmer näher unter die Lupe: Hatte er nicht ein wunderbares Gefühl für den Raum? Schlug er nicht erstklassige Pässe? War er nicht ein vorzüglicher Organisator und Regisseur? Kurzum: Der Trainer setzte den Linksaussen auf einer neuen Position ein – als Libero. In dieser Rolle wurde Franz Beckenbauer ein Weltstar. Als Linksaussen wäre ihm das wohl kaum gelungen. Lehre fürs Führen: Jeder Mitarbeiter hat Talente, die Frage lautet nur, ob er sie in seiner jetzigen Position ausspielen kann. Manchmal müssen Jobs anders gestaltet und Mitarbeiter anders eingesetzt werden, um den optimalen Erfolg zu erzielen.
 
6. Offenheit
Wer als Chef immer noch Herrschaftswissen hortet, Geheimnisse hütet und wichtige Vorgänge zur „Chefsache“ erklärt, der darf sich über Misstrauen, Demotivation und üble Nachrede seiner Mitarbeiter nicht wundern. Der richtige Weg führt in die andere Richtung: Seien Sie zu Ihren Mitarbeitern so offen und so ehrlich, wie es geht. Sagen Sie ihnen, wie die Geschäftszahlen sich entwickeln, auch wenn die Richtung nicht erwünscht ist. Dann hat jeder die Chance, aus eigener Kraft gegenzusteuern. Sogar schmerzliche Entscheidungen, wie Kurzarbeit oder Entlassungen, werden eher akzeptiert, wenn sie absehbar sind – und nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel einschlagen.
 
* Der Erfolgsautor Martin Wehrle gilt als Deutschlands bekanntester Karrierecoach. In der Schweiz ist er als unterhaltsamer Vortragsredner bekannt, u. a. zu Führungskultur und Frauenförderung. Kontakt über: www.wehrle-redner.de

Bildquelle: Thinkstock