Vorbildliche Vorgesetzte schieben nicht unliebsame Arbeit ab, sondern delegieren ganz gezielt. Das ist anspruchsvoller, als es scheint.
Von Manuela Specker
Eine alte Lehrbuchweisheit besagt, dass sich gute Führungskräfte überflüssig machen. Der Managementberater und Philosoph Reinhard Sprenger formuliert es alltagstauglich: „Eine gute Führungskraft erkennt man daran, wie der Laden läuft, wenn sie nicht da ist.“
Die Fähigkeit zum Delegieren spielt eine Schlüsselrolle. Eben diese Fähigkeit ist aber nicht selbstverständlich, da jede Führungskraft ihre Rolle ganz unterschiedlich interpretiert. Profilierungsneurotiker, die sich ein Denkmal setzen wollen und es nur schwer ertragen, wenn Untergebene mit ihren Leistungen glänzen, sind schon von ihrer Persönlichkeit eher weniger geeignet, Arbeit sinnvoll zu delegieren. Sie neigen dazu, interessante Arbeit an sich zu reissen und nur das, was ihnen nicht passt, den Mitarbeitenden zu überlassen. Das nennt sich aber nicht delegieren, sondern Arbeit abschieben.
Delegieren ist letztlich ein Führungsinstrument, das dazu dient, Mitarbeitende in ihren Fähigkeiten und Stärken entwickeln zu können. Ein Vorgesetzter, der sinnvoll delegiert, drückt damit zugleich sein Vertrauen aus. Im Idealfall stellt sich die Frage nach dem Delegieren gar nicht, weil in einem eingespielten Team jeder weiss, was er zu tun hat, und weil eigenverantwortliches Handeln auch voraussetzt, dass sich Mitarbeitende selber um Arbeit kümmern anstatt Däumchen drehen, bis der Vorgesetzt eine Aufgabe erteilt. Überall dort, wo delegiert werden muss, sind folgende Punke zentral:
- Die richtigen Aufgaben den richtigen Personen zuweisen: „Alle machen alles“, lautet gegenwärtig eine Entwicklung in der Arbeitswelt. Generalistentum in Ehren: Wer blindlings diesem Trend nachläuft, wird in seinem Team nicht nur an Effizienz und Produktivität einbüssen, sondern auch Mitarbeitende vergraulen, weil sie zu Aufgaben verdonnert werden, die ihnen nicht liegen.
- Die Erwartungen kommunizieren: Mitarbeitende wollen wissen, woran sie sind. Was muss bis wann erledigt werden? Was sind die Qualitätsansprüche? Wichtig sind klare Anweisungen, was erwartet wird, und es müssen alle notwendigen Informationen und Tools bereitgestellt werden, damit Mitarbeitende ihre Aufgaben eigenverantwortlich erfüllen können.
- Freiraum gewähren: Vorgesetzte sollten es den Mitarbeitenden überlassen, wie sie zu den gewünschten Ergebnissen kommen. Wer sein Weltbild und seine Arbeitsweise anderen aufdrücken möchte, erreicht höchstens eine „Dienst nach Vorschrift“-Einstellung.
- Die richtige Balance: Verantwortungsvoll delegieren bedeutet, die richtige Balance zu finden zwischen Fordern und Fördern. Die delegierte Aufgabe sollte den Kompetenzen des Mitarbeiters entsprechen, damit er weder unter- noch überfordert ist. Wichtig ist es auch, vorausschauend zu planen und rechtzeitig zu delegieren, damit nicht andere für die eigenen Versäumnisse büssen müssen.
- Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser: Wer nicht vertraut, kann auch nicht delegieren. Gerade Vorgesetzte, die sich neu in dieser Position finden, laufen Gefahr, jeden Schritt der Mitarbeitenden auf seine Richtigkeit zu überprüfen, um am Ende nicht für potenzielle Fehler geradestehen zu müssen. Dieses „Kontrollverhalten“ wird begünstigt, wenn neue Führungskräfte noch nicht mit den Aufgaben vertraut sind und auch die Qualitäten ihrer Mitarbeitenden noch nicht beurteilen können.
Natürlich gibt es auch das andere Extrem: Vorgesetzte, die alles delegieren, um selber eine ruhige Kugel schieben zu können. Delegieren ist deshalb nicht damit zu verwechseln, die Mitarbeitenden ihrem Schicksal zu überlassen. Es ist ganz zentral, Verantwortung abzugeben, ohne sich aus der Gesamtverantwortung zu stehlen.
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